Dieser Artikel wurde auf Anregung der DIAGONALE verfasst in deren Rahmen 2013 erstmals auch ein Preis für die beste Tongestaltung von Spiel- und Dokumentarfilmen vergeben wird.
Es verwundert nicht, dass man auf solch einen Preis lange warten musste, handelt es sich bei der Tongestaltung (dem Sounddesign) doch um ein Element der Filmerzählung das seine Wirkung gern im Verborgenen entfaltet. Nur selten wird der Filmton als „gemacht“, im Nachhinein künstlich erzeugt wahrgenommen und doch ist er es zu einem überwiegenden Anteil. Die uns im Surround umgebenden Atmosphären, Räume, die Bewegungen und der Klang der sichtbaren und unsichtbaren Dinge im Film – kaum etwas davon kann beim Drehen so aufgenommen werden, dass es unter den Bedingungen der technischen Apparatur des Kinos richtig abgebildet werden könnte. In Zeiten des Dolby-Digitalkinotons (und entsprechender mehrkanaliger Kino-Heimkino-TV-Anlagen) hat sich eine Erwartungshaltung an das akustische Filmerlebnis herausgebildet, die heute nur noch mittels eines aufwändigen Ton-Postproduktionsprozesses eingelöst werden kann. An diesem sind oft mehrere TonschnittmeisterInnen und TonmeisterInnen beteiligt und trotzdem dauert er oft länger als der vorangegangene Bildschnitt.
Worin nun aber die tatsächliche Leistung einer bestimmten Tongestaltung liegt, kann jemand, der selbst nicht an ihr gearbeitet hat, oft nur schwer erfassen – und das gilt auch für andere TonschnittmeisterInnen. Im Film tritt uns das Sounddesign ja nur noch als Teil eines diffusen Feldes aus Originalton, Filmmusik, Toneffekten und Mischung entgegen, eben als gesamtes Film-Ton-Ereignis mit allen gegenseitigen Beeinflussungen zwischen visueller und akustischer Ebene. Daher besteht die Absicht dieses Artikels im Wesentlichen darin den Blick auf das eigentliche Arbeitsfeld Tongestaltung zu schärfen und damit den Begriff Sounddesign in technischer und künstlerischer Hinsicht etwas einzugrenzen.
1. Filmton und Tongestaltung sind nicht ident.
Wenn aus den Kinolautsprechern der Filmton erklingt, dann hat dieser in der Regel eine mehrmonatige Entstehungsgeschichte hinter sich – von der Originaltonaufnahme am Set, über die Tonbearbeitung in der Postproduktion und die Mischung im Tonstudio bis zur Wiedergabe im Kino. Dieses Film-Ton-Ereignis ist zwar Ziel und Ergebnis der Tongestaltung, jedoch tragen dazu auch außerhalb des Sounddesigns entstandene Tonebenen (z.B. die Musik) und vor allem natürlich die Mischung bei. Auch wenn für die eigentliche Tongestaltung der/die SounddesignerIn alleine verantwortlich ist, gibt es daher Bereiche in denen sie sich mit den Arbeitsfeldern Anderer (Originaltonmeister, Komponist, Mischtonmeister) überschneidet. Um sich zu vergegenwärtigen worin die Tongestaltung besteht, lohnt es sich anzusehen in welchem Verhältnis sie zu diesen benachbarten Arbeitsfeldern steht.
Tongestaltung und Originalton
In der Regel steht am Anfang der Filmton-Genesis die Originalton-Aufnahme am Set. Dabei entsteht das Ausgangsmaterial für die Tongestaltung und mit dem Träger der menschlichen Stimme eine der wesentlichsten Tonebenen, der gesprochene Dialog. Trotz seiner Vordergründigkeit und Wichtigkeit stellt der Dialog innerhalb einer Kino-Spielfilmvertonung rein mengenmäßig aber nur einen relativ geringen Anteil des gesamten Tonmaterials dar. Von beispielsweise 100 Tonspuren die zur Mischung gelangen, beinhalten meist nicht mehr als 6 bis 8 Spuren Originalton! Das liegt daran, dass während des Drehens aus Gründen der angestrebten Kontinuität hauptsächlich auf den Dialog geachtet werden muss, während man Hintergrundgeräusche und für den Schnitt problematische Tonereignisse so gut wie möglich zu vermeiden sucht – und eben diese werden erst im Zuge des Tonschnitts hinzugefügt.
Der Originalton selbst erfährt während des Dialogschnitts eine Vielzahl an Manipulationen. Es werden Dialogteile ausgetauscht, tontechnisch bearbeitet und nachsynchronisiert und verwendbare Geräuschanteile werden so gut wie möglich von der Sprache separiert. Trotzdem dieser Schnittvorgang bereits zum Sounddesign zu zählen ist, muss man sagen, dass der gestalterische Eingriff hier noch relativ zurückhaltend ist. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass es sich dabei – wie auch bei der Aufnahme selbst – um einen Prozess der technischen Optimierung handelt, dessen Hauptaugenmerk in der Reduktion auf das Wesentliche, die menschliche Stimme, liegt.
Natürlich darf nicht vergessen werden, dass sich die Gewichtung des Originaltons beim Dokumentarfilm zum Teil radikal anders darstellen kann. Nichts desto trotz erfährt dieser auch hier eine ganze Reihe von Manipulationen, egal ob es sich um einen Film handelt, der beinahe nur vom Originalton beherrscht wird, oder ob er aufwändig nachvertont und gemischt wurde.
Tongestaltung und Musik
Die Musik wird vom Komponisten in Abstimmung mit der Regie, dem Bild- und Tonschnitt hergestellt und zwar großteils zur selben Zeit wie die Tongestaltung, d.h. nach Fertigstellung des Bildschnitts und vor Beginn der Mischung. Ähnlich wie der Dialog ist auch die Filmmusik im Grunde genommen vordergründig platziert und zwar einerseits, indem sie jederzeit als nachträglich hinzugefügt identifizierbar ist und andererseits indem sie unverhohlen auf eine stark emotionalisierende Wirkung aus ist. In dieser Offensichtlichkeit und in der zugegeben verwirrenden Verwendung des Begriffs „Soundtrack“ für Filmmusik liegen wohl die Hauptursachen für die oftmalige Verwechslung von Sounddesign mit Filmmusik.
De facto handelt es sich um zwei getrennt kreierte Tonebenen, die meist erst zusammenfließen, wenn die fertige Musik im Schneideraum angelegt und geschnitten wird. Die Abstimmung zwischen Sounddesign und Filmmusik hängt bis dahin stark von der Zusammenarbeit der handelnden Personen ab und wird letztlich erst im Zuge der Mischung endgültig fixiert.
Tongestaltung und Mischung
Auch wenn die Mischung klassischerweise am Ende des Tongestaltungsprozesses steht, ist zwischen diesen beiden Arbeitsschritten keine scharfe Trennlinie zu ziehen. Während der Tongestaltung wird ständig auf den in der Mischung beabsichtigten Effekt des Tonmaterials und dessen „Mischbarkeit“ geachtet und während der Mischung kann es immer wieder vorkommen, dass da und dort noch Schnittänderungen vorzunehmen sind. In einer Hinsicht jedoch ist die Unterscheidung zwischen Tonmischung und Tonschnitt offensichtlich.
Während technisch betrachtet, während des Schnitts extrem viel Tonmaterial, das nicht etwa schon vorhanden war, in das Tonbild einfließt und dabei jede Menge Tonspuren erzeugt werden, werden diese dann im Zuge der Mischung wieder auf einige wenige reduziert.
Das klangästhetische Konzept, das während des Sounddesigns entworfen und umgesetzt wurde, wird hier in enger Zusammenarbeit von Regie, MischtonmeisterIn und SounddesignerIn auf seine künstlerische und dramaturgische Tauglichkeit überprüft und festgelegt. Dennoch muss die Mischung aufgrund der Tatsache, dass sie mit bereits existierendem Material agiert und ein Vorgang der Reduktion ist, ebenso wie die Originaltonaufnahme technisch als Optimierungsprozess betrachtet werden.
2. Die Tongestaltung
von der hier also die Rede ist, ist vom Ablauf her jener Postproduktions-Prozess, der nach dem Bildschnitt beginnt und mit der Mischung abgeschlossen wird. Er beinhaltet, grob gesagt, die Montage und Bearbeitung des Originaltons (Dialogschnitt), Sprach- und Geräuschsynchronisation, die Auswahl, Montage und Bearbeitung von Archivgeräuschen für Atmosphären und Toneffekte und den Musikschnitt.
Vergleichbar mit der Arbeit eines Architekten beginnt die Tongestaltung wie auf einem leeren Blatt Papier und die Aufgabe des Sounddesigns besteht darin, die durch Bild und Originalton repräsentierte Filmerzählung zu interpretieren und um einen dreidimensionalen, akustischen Raum zu erweitern. Erst hier im Sounddesign erhalten die Objekte der Filmhandlung ihren charakteristischen Klang und die Räume und Umgebungen der Erzählung ihre vielschichtige akustische Präsenz. Die Tongestaltung ist also jener kreative Prozess in dem das klangästhetisch-dramaturgische Gesamtbild des Filmes entworfen und dann mittels Montage von unzähligen Tonelementen umgesetzt wird.
Dass diese Montage notwendig ist liegt daran, dass es sich beim Kino (oder TV) um eine technische Apparatur handelt und es nicht möglich (bzw. nicht zweckmäßig) ist, während des Drehens den Ton bereits so aufzunehmen, dass er darin eins zu eins wieder gegeben werden könnte. Ein normales Mikrophon in einem Wald könnte vielleicht eine Mono- oder bestenfalls Stereoaufnahme dieses Waldes erfassen. Eine im Kino wirklichkeitsgetreu (naturhaft) und der Bildmontage angepasste, perspektivisch richtige Abbildung eines Waldes ist damit nicht zu erreichen. Ebenso müssen Bewegungen von Objekten im Filmbild – denken wir an ein vorüberfahrendes Auto – auf die tontechnische Apparatur übersetzt werden, und selbst der Lautstärkeunterschied von Sprache und Umgebungsgeräuschen in der Natur muss im Filmraum anders dargestellt werden. Die Klangnatur der Filmerzählung ist eine nach dramaturgischen Gesichtspunkten konstruierte und somit bedarf es des Auswahl-, Montage- und Anpassungsprozesses des Sounddesigns um diesen Eindruck zu erreichen.
3. Die Wechselwirkung der Audio-Vision
entsteht in der spontanen Verbindung von visuellen und auditiven Elementen und ergibt mehr als die Summe ihrer Teile. Die konvergente Verbindung eines bildlichen und eines klanglichen Ereignisses erzeugt ein Drittes, ein filmisches Ereignis. So wird etwa aus einem statischen Blick auf eine Motorhaube und dem Sound eines aufheulenden Motors ein dahin rasendes Auto, oder aus einem simplen Schatten und einem unheimlichen Geräusch eine sich nähernde Gefahr.
In der Regel bemüht sich das Sounddesign um diese Verbindung und den sich ergebenden Wirklichkeitseffekt und das bedeutet: was auch immer zur Filmerzählung beiträgt, Klangobjekte, Räume, Umgebungen wollen in der Regel so gestaltet sein, dass es so erscheint als wären sie schon jeher mit diesen Klangeigenschaften ausgestattet gewesen. Gelingt das, tritt jedoch folgender Effekt ein: in dem Augenblick, in dem visuelle und auditive Inhalte in eins verschmelzen, verschwindet der Ton aus unserem bewussten Wahrnehmungsfeld und wird zu einem unbewusst wahrgenommenen Anteil der Filmerzählung wird. Namhafte Filmtongestalter, wie etwa der mehrfache Oscarpreisträger Randy Thom, vertreten daher die Meinung, dass ein Sounddesign dann als besonders gelungen angesehen werden kann, wenn es gar nicht mehr bemerkt werden kann, sondern ein im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbarer, integrativer Bestandteil der Filmerzählung ist.
Möchte man sich also einer Filmtongestaltung bewusst werden, steckt man in einem Dilemma. Achtet man zu sehr auf den Ton, beraubt man ihn seiner filmischen Dimension – seiner Absicht ein unhinterfragter Anteil der Filmerzählung zu sein. Achtet man umgekehrt zu wenig auf ihn, dann hat man am Ende zwar hoffentlich eine stimmige, homogene Filmerzählung erlebt, weiß aber wahrscheinlich nicht zu sagen, wie die Tongestaltung zu beurteilen ist.
4. Möglichkeiten den gestalteten Ton zu erkennen
Die folgenden Vorschläge wurden ausgewählt, weil sie relativ einfache Methoden darstellen diejenigen Anteile des Filmtons zu erkennen, die nahelegen, dass sie im Rahmen der Tonpostproduktion hinzugefügt wurden. Es bedarf keiner „erlebnisfeindlichen“ Analyse während des Films um ihre Wirkungsweisen zu erkennen, sondern es genügt, sie sich einmal vor Augen (und Ohren) zu führen. Ganz so, wie ein geschultes Auge mehr Lustgewinn beim Betrachten eines Bildes bedeutet, sollte dann auch das Filmerlebnis gesteigert werden, indem die Tonspur reflektierter wahrgenommen werden kann.
Atmosphären und Kontinuität
Das sequenzielle, nicht kontinuierliche Drehen bringt es mit sich, dass die während einer Szene auftretenden Hintergrundgeräusche von Einstellung zu Einstellung wechseln würden. Auch herrschen am Set in den seltensten Fällen jene akustischen Bedingungen, die einen Schauplatz am besten charakterisieren würden und selbst wenn das vorkommt, wäre es aus technischen Gründen extrem aufwändig eine Tonaufnahme herzustellen, die eine unmittelbare Widergabe in einem 6-Kanal-Dolby-Digital-Kino ermöglichen würde.
Originaltöne beinhalten deswegen in der Regel wenige und bestenfalls unter dem Dialog hörbare Hintergrundgeräusche die im Übrigen daran zu erkennen sind, dass sie aus der selben Schallquelle – beim Mehrkanalton aus dem Mittenlautsprecher – aus dem auch die Sprache kommt, zu hören sind.
Atmosphären die mehrere Einstellungen oder eine ganze Szene verbindend und im Mehrkanalton aus den Seitenlautsprechern zu hören sind, sind hingegen unzweifelhaft während des Sounddesigns entstanden. Vom Verkehrslärm der Stadt, dem Gezwitscher der Vögel, den Stimmen und Aktionen außerhalb des Bildes bis hin zum vielschichtigen Rauschen naher und ferner Blätter im Wald – so komplex und wirklichkeitsgetreu das Klangbild der Umgebung auch erscheinen mag, es ist eine auf die technischen Gegebenheiten des Mediums und auf die dramaturgischen Erfordernisse der Szene abgestimmte und konstruierte Wirklichkeit.
Raum/Zeit Abbildung
Nicht selten ist das Klangbild einer Szene maßgeblich dafür, dass der „erzählte“ Raum und die „erzählte“ Zeit im Filmgeschehen korrekt abgebildet werden. Im Fall von historischen Filmen wird der Zeitkontext beispielsweise durch den spezifischen Sound einer bestimmten Epoche – Pferdegetrappel statt Autolärm – miterschaffen. Etwas subtiler ist die Aufgabe im permanent vorkommenden Fall, die konkrete Tageszeit oder ihr langsames Voranschreiten innerhalb einer Szenenfolge kenntlich zu machen.
Wir alle wissen, dass Morgenszenen nicht unbedingt am Morgen und Nachmittagsszenen nicht unbedingt nach Mittag gedreht werden und dass es vor allem einige Zeit braucht um eine längere Szene ab zu drehen. Auch kann die Kamera aus Kostengründen wohl eher in einer Studiodekoration stehen, als beispielsweise in einer beengten Schiffskajüte oder – wie es häufig der Fall ist – das Innen- und Außenmotiv eines Schauplatzes liegen in Wahrheit weit voneinander entfernt.
Aufgabe des Sounddesigns ist es also für die dramaturgisch notwendige Bestimmbarkeit und Einheit von Raum und Zeit zu sorgen und Bewegungen im Raum so abzubilden, dass sie dem Bild einerseits und der Erzählung andererseits entsprechen. Um sich das zu vergegenwärtigen, stellen wir uns eine Dialogszene vor. Ein währenddessen durchs Bild fahrendes Auto muss zuerst einmal vom Dialog getrennt werden. Der Dialog soll ja aus der Mitte der Leinwand erklingen, während das Auto sich von einer zur anderen Seite bewegen soll. Und dann soll das Auto natürlich auch außerhalb des Bildes zu hören sein – es muss sich nähern und entfernen können um sowohl räumlich als auch zeitlich nicht als abrupter Bruch der Einheit der Erzählung wahrgenommen zu werden.
Die dazu notwendige Manipulation geschieht zu einem Teil in der Mischung, die dazu notwendigen Tonelemente werden aber jedenfalls im Zuge der Tongestaltung separiert, ausgewählt und montiert.
Charakterisierung / Spezialeffekte
Ebenso wie Räume weisen auch viele der im Film vorkommenden Objekte oft vollkommen andere klangliche Eigenschaften auf als jene, die im Rahmen der Filmerzählung den gewünschten Eindruck erzeugen würden. Autos werden oft aus Bild-Gründen auf Anhängern gezogen oder sehr langsam gefahren, zersplitterndes Glas ist aus Kunststoff damit niemand sich verletzt, das Klingeln des Telefons ist am Set nicht zu hören und Ohrfeigen werden besser nicht so hart geschlagen, wie sie im Film erklingen.
Ständig beschäftigt sich das Sounddesign daher mit der Frage, ob der charakteristische Klang eines Materials, eines Gegenstandes oder einer Aktion der Filmerzählung angemessen ist und ständig werden diese auditiven, materialistischen Eigenschaften adaptiert, ergänzt, ersetzt oder überhaupt erst erzeugt. Im Falle von Spezialeffekten (Schüsse, Einschläge, Stürze, Explosionen, Ufos, Computersounds usw.) mag das einleuchtend sein, denn hier ist die konstruierte Künstlichkeit des Klanges offensichtlich. Weniger bekannt ist hingegen, dass auch alle anderen Geräusche im Rahmen des Sounddesigns diese Metamorphose durchmachen, vom Klang der Schritte, dem Ächzen des Fußbodens bis hin zum Rascheln der Kleidung.
Wie das Bild fokussiert auch der Ton auf jene Elemente und Charakteristika, die der Filmerzählung dienen und unterdrückt weitgehend andere Geräusche, die davon ablenken würden. Jeder Bruch dieser Konvention führt dazu, dass der Ton plötzlich bewusst wahrgenommen wird und damit sozusagen aus dem Bild fällt. Das kann gezielt als Gestaltungsmittel eingesetzt werden, funktioniert aber selbst dann nur, wenn der Ton ein Mindestmaß an kausaler Bindung an das Filmgeschehen nicht verlässt.
5. Tongestaltung im Spiel- und Dokumentarfilm
Natürlich bestehen wie schon eingangs erwähnt zum Teil große Differenzen zwischen Spiel- und Dokumentarfilmvertonungen – allerdings nur in jenen Fällen, wo dem Originalton vielleicht nicht viel mehr als Musik und eventuell ein OFF-Kommentar hinzugefügt wird. Demgegenüber stehen zahlreiche Dokumentarfilmproduktionen, die an Komplexität und Umfang der Nachvertonung von Spielfilmen kaum zu unterscheiden sind.
Im Falle eines sehr veristischen, auf Originalton basierenden Klangbildes besteht die Herausforderung an das Sounddesign oft in der schwierigen Aufgabe aus sehr unterschiedlich klingenden und von Nebengeräuschen überlagerten Originaltönen ein homogenes und dialogverständliches Klangbild zu erzeugen. Gleichzeitig muss der Charakter der jeweiligen Situation um jeden Preis erhalten bleiben.
Ohne Kenntnisse des Ausgangsmaterials ist bei solch einem Filmton jedenfalls schwierig zu sagen, wie groß der Einfluss der Tongestaltung auf ihn war und welche Einflüsse eher der Originaltonaufnahme und/oder der Mischung zugerechnet werden müssen. Dennoch gelten ähnliche Regeln, wie die oben genannten und so ist z.B. die Mehrkanaligkeit wie sie etwa durch Surround-Atmos erkennbar wird ein guter Anhaltspunkt den kreativen Eingriff des Sounddesigns zumindest wahrzunehmen.
6. Fazit: Wie könnte man Sounddesign beurteilen?
Diese Frage stellt sich, weil dieser Artikel auch der Diagonale-Jury als Grundlage dienen will. Eine einfache Antwort gibt es freilich nicht.
Soundesign ist nichts anderes als Film-Erzählen mit den Mitteln des Tons. Da es nicht für sich allein, sondern immer nur im Kontext dieser Erzählung rezipiert werden kann muss auch der Film selbst als Grundlage für jede Art der Beurteilung angesehen werden. Dabei besteht die Herausforderung darin, sich der Tonebene bewusst zu werden, ohne ihr soviel Aufmerksamkeit zu schenken, dass man sie sozusagen ihrer Magie beraubt. Einmal vor den Vorhang hervorgezogen ist sie nicht mehr der unsichtbare Teil der Erzählung, der sie sein will.
Aus diesem Grunde ist das Misslungene oft leichter zu erkennen, als das Gelungene. Eine Asynchronität verrät schon den nachsynchronisierten Dialogteil und es genügt ein unpassender Soundeffekt uns zu irritieren und für einen Augenblick aus dem subtilen Filmerleben zu reißen. Umgekehrt ist das Gelungene oft nur daran festzumachen, dass uns nichts Unpassendes aufgefallen ist. Entscheidend ist ob das Sounddesign die dramaturgischen und ästhetischen Kriterien erfüllt um ein homogener, integrativer Bestandteil des Films zu sein. Der Rest ist allein eine Frage des Geschmacks, politischer und künstlerischer Vorlieben.